Wir fuhren also drei Stunden mit dem Wagen
und hielten im Dorf, um Hugos Hund vom Jäger abzuholen. Der Hund hieß Luchs.
Wir unterhielten uns ein wenig mit dem Jäger,
und es wurde beschlossen, dass er am nächsten Abend mit Luise auf die Jagd
gehen sollte.
Erst gegen drei Uhr erreichten wir das
Jagdhaus. Hugo begann sofort damit, aus dem Wagen neue Vorräte in die Küche zu
bringen. Ich kochte Kaffee und danach – Hugo fing gerade an einzuschlafen –
schlug Luise ihm vor, mit ihr noch einmal ins Dorf zu gehen. Natürlich die pure
Bosheit, wenn sie auch behauptete, ein Spaziergang wäre für seine Gesundheit
unbedingt notwendig. Gegen halb fünf Uhr ging sie endlich triumphierend mit ihm
los. Ich wusste, sie würden in das Dorfgasthaus gehen.
Ich räumte das Geschirr vom Tisch und hängte
die Kleidungsstücke in den Schrank, als ich damit fertig war, setzte ich mich
auf die Hausbank in die Sonne. Es war ein schöner warmer Tag...
Während ich sosaß und die letzte Wärme auf
dem Gesicht spürte, sah ich Luchs zurückkommen. Wahrscheinlich hatte er Luise
nicht gehorcht, und die hatte ihn zur Strafe zurückgeschickt. Ich konnte sehen,
dass sie mit ihm geschimpft hatte. Er kam zu mir und legte den Kopf traurig auf
meine Knie. So blieben wir eine Zeit lang sitzen. Ich redete ihm zu, denn ich
wusste, dass Luise den Hund ganz falsch behandelte.
Als die Sonne hinter den Bäumen verschwand,
wurde es kühl. Ich ging mit Luchs ins Haus, machte Feuer und fing an, das Essen
zuzubereiten. Ich hätte es natürlich nicht tun müssen, aber ich war selbst
hungrig, und ich wusste, dass Hugo ein richtiges, warmes Abendessen verzog.
Um sieben Uhr waren meine Freunde noch nicht
zurück. Das war auch fast nicht möglich, ich rechnete damit, dass sie vor halb
neun nicht kommen würden. So fütterte ich den Hund, aß ein wenig und las schließlich
im Schein der Petroleumlampe die Zeitungen, die Hugo mitgebracht hatte. In der
Wärme und Stille wurde ich müde. Luchs schlief leise und zufrieden neben dem
Feuer. Um neun Uhr beschloss ich, zu Bett zu gehen. Ich schloss die Tür ab und
nahm den Schlüssel mit mir in mein Zimmer. Ich war so müde, dass ich sofort
einschlief.
Ich erwachte davon, dass die Sonne auf mein
Gesicht fiel, und erinnerte mich sofort an den vergangenen Abend. Da wir nun
einen Schlüssel mithatten – der zweite lag beim Jäger – hätten Luise und Hugo
mich bei ihrer Rückkehr wecken müssen. Ich rannte die Treppe hinunter und
schloss die Eingangstür auf. Luchs empfing mich ungeduldig und lief an mir
vorbei ins Freie. Ich ging ins Schlafzimmer, obgleich ich sicher war, dort
keinen Menschen zu finden, das Fenster war ja vergittert. Die Betten waren
natürlich leer.
Es war acht Uhr; die beiden mussten im Dorf
geblieben sein. Ich wunderte mich sehr darüber. Hugo hasste die kurzen
Gasthausbetten, und er wäre niemals so unhöflich gewesen, mich alleinüber Nacht
im Jagdhaus zurückzulassen. Ich konnte mir nicht erklären, was geschehen war.
Marlene HAUSHOFER, Die Wand, 1991