Wenn er dem
Clochard begegnete oder ihn irgendwo sitzen sah, verspürte er nur noch jene
Empfindung, die allgemein als Toleranz bezeichnet wird: ein sehr vages
Gefühlsgemisch von Ektel, Verachtung und Mitleid. Der Mensch regte ihn nicht
mehr auf, der Mensch war ihm egal. Er war ihm egal gewesen bis auf den heutigen
Tag.
Der Clochard saß drüben auf der Bank und war
mit seiner Mahlzeit fertig. Er hatte den faulen, satten Körper der Länge nach
ausgestreckt, um Mittagsruhe zu halten. Jetzt schlief er – fest und friedlich.
Jonathan betrachtete ihn. Und indem er ihn betrachtete, befiel ihn eine
seltsame Unruhe. Wie war es möglich – so fragte er sich – dass dieser Mann mit
über fünfzig Jahren überhaupt noch lebte? Hätte er bei seiner
verantwortungslosen Lebensweise nicht längst verhungert, erfroren, von einer
Leberzirrhose tot sein müssen? Statt dessen aß und trank er mit bestem Appetit,
schlief den Schlaf des Gerechten und erweckte den Eindruck eines Menschen, der
mit sich und der Welt in schönstem Einklang stand und das Leben genoss.
Trotzdem hatte Jonathan Angst. Ja, er hatte
Angst! Weiß Gott, er zitterte und hatte Angst, wenn er nur diesen schlafenden
Clochard ansah: er hatte auf einmal fürchterliche Angst davor, so werden zu
müssen wie der verlotterte Mensch dort auf der Bank. Wie schnell konnte es
geschehen, dass man, so wie er, verarmte und herunterkam? Der Mund war ihm
trocken geworden. Er wandte den Blick von dem schlafenden Mann.